Kleine Geschichte der
Hapag-Halle und des Überseeverkehrs in Cuxhaven
1889
Die Hapag, die Hamburg-Amerika Linie, verlegte auf Betreiben ihres Passagedirektors und späteren Generaldirektors Albert Ballin ihren Liniendienst nach New York vom Hamburger Hafen in das zu Hamburg gehörende Cuxhaven. Die Passagiere wurden mit Sonderzügen zum alten Hafenbahnhof in Cuxhaven gebracht.
1891-1896
Die Hafenanlagen in Cuxhaven waren jedoch für die vier Neubauten der Augusta-Victoria-Klasse (160 m lang) ungenügend, daher mussten die Passagiere auf der Reede übernommen werden. Dies führte zum Bau des Neuen Hafens mit zwei Hafenköpfen mit jeweils 120 m Länge an der Elbe.
1891
Da die Linienschiffe in den Wintermonaten durch das geringere Passagieraufkommen im Transatlantikverkehr nicht ausgelastet waren, startete im Januar die AUGUSTA VICTORIA in Cuxhaven zu einer „Lustreise in den Orient“. Diese Reise gilt allgemein als Beginn der Kreuzfahrten. Cuxhaven ist somit der Heimathafen der Kreuzfahrten.
1900-1902
Nach langwierigen Verhandlungen mit der Eisenbahnverwaltung baute der Hamburger Staat für die Belange der Hapag einen neuen Hafenbahnhof, heute Hapag-Halle genannt (bahnamtlich: Amerikabahnhof). Die Ausstattung des Wartesaals für die Passagiere der ersten und zweiten Klasse (Kuppelsaal) erregte allgemein Bewunderung (erstes elektrisches Licht in einem Gebäude in Cuxhaven). Sie lehnte sich an die mondäne Ausstattung der Gesellschaftsräume auf den Schiffen an, z. B. der DEUTSCHLAND, die 1900 ihre Jungfernfahrt von Cuxhaven nach New York machte und damals das größte und schnellste Schiff der Welt war. Bereits 1900 war die Hapag die größte Reederei der Welt und blieb es auch bis zum ersten Weltkrieg. Längst beschränkten sich ihre Verbindungen nicht nur mehr auf den Verkehr mit Amerika, man war jetzt auf allen Kontinenten präsent. Diese Rolle wurde durch das Portal, das in den Kuppelsaal der Hapag-Halle führte, auch zum Ausdruck gebracht. Hier prangte über den Köpfen zweier Seeleute das Motto der Hapag „MEIN FELD IST DIE WELT“, das leider dem „Modernisierungswahn“ der 50er Jahre zum Opfer fiel.
1905/1906
Mit der AMERIKA und der KAISERIN AUGUSTE VICTORIA, die ebenfalls im Liniendienst Cuxhaven – New York fuhren, verfügte die Hapag erneut über das jeweils weltgrößte Schiff.
1910
Da die Hafenanlagen sich für die seit 1900 in Dienst gestellten Schiffe erneut als zu klein erwiesen – diese Schiffe mussten ihre Passagiere ebenfalls wie zu Beginn des Verkehres auf der Reede übernehmen – wurde der 120 m lange westliche Hafenkopf um 60 m verlängert. Die Landanlagen wurden um den Gedeckten Gang ergänzt.
1911-13/14
Nach der Indienststellung der britischen TITANIC ging der Wettlauf um das größte Schiff der Welt weiter. Für die IMPERATOR und die anderen Schiffen seiner Klasse (VATERLAND und BISMARCK) wurden die beiden Hafenköpfe zusammengefasst und in der Tiefe erweitert. Es entstand dadurch mit 400 m Länge die damals die größte Pier der Welt, das Steubenhöft (erst 1931 so benannt). Der Neue Hafen wurde dabei von 9 ha auf 42 ha zum Amerikahafen erweitert, gedacht als Liege- und Ausrüstungshafen für die Schiffe der Imperatorklasse.
1914
Bis zum Ausbruch des ersten Weltkrieges herrschte ein nie dagewesener und nie wieder erreichter Eisenbahnverkehr im Bahnhof Hapag-Halle. An Tagen, an denen sowohl ein Schiff von Amerika kam, als auch eins hinfuhr, wurden bis zu 13 Sonderzüge mit bis zu 4.000 Fahrgästen abgefertigt. Da diese Sonderzüge auf der Strecke Hamburg-Cuxhaven vor dem normalen Bahnverkehr Vorrang hatten, kam es für diesen zu erheblichen Verzögerungen. Es wurde daher geplant, die ohnehin schon für den Sonderzugverkehr der Hapag zweigleisig ausgebaute Strecke um ein drittes Gleis zu erweitern, was jedoch der Krieg verhinderte.
1923-1939
Nach dem ersten Weltkrieg verlor die Hapag aufgrund der Bestimmungen des Versailler Vertrages den größten Teil ihrer Schiffe. Durch eine geschickte Vertragspolitik gelang es ihr jedoch mit gecharterten Schiffen, die zuvor im Besitz der Reederei waren, wieder eine bedeutende Position im Transatlantikverkehr zu erlangen. Allerdings hatten sich die Verhältnisse im Passagierverkehr nach dem Krieg drastisch geändert. Die Passagierzahlen erreichten niemals wieder die Vorkriegsdimensionen. Dies lag im Wesentlichen an einer geänderten Einwanderungspolitik der USA, die die Zahl der Einwanderer deutlich einschränkte.
1945-1951
Nachdem der Passagierverkehr am Steubenhöft während des zweiten Weltkrieges, wie auch schon im ersten, vollständig ruhte, war er in dieser Zeit ausschließlich von den Kriegsfolgen bestimmt. Britische Truppentransporte brachten ihre Militärangehörigen in die Heimat zurück, gleichzeitig wurden deutsche Kriegsgefangene hier gelandet und mit der Bahn zur Entlassung nach Munsterlager gebracht. 30.000 heimatlose Displaced Persons gingen über Cuxhaven nach Kanada in die Auswanderung.
1952
Mit der von der Hapag gecharterten ITALIA wurde der Passagierverkehr Hamburg/Cuxhaven nach New York und auch nach Kanada wieder aufgenommen. Das hölzerne Steubenhöft, an dem während der Kriegs- und Nachkriegszeit keine Unterhaltungsarbeiten durchgeführt wurden, wurde bis 1954 durch einen gleichnamigen Neubau aus Stahl und Beton an gleicher Stelle ersetzt. Es erhielt zur Wasserseite hin ein Empfangsgebäude mit Galerien für Passagiere und Zuschauer, welches mit der Hapag-Halle, der Zollhalle und dem Gedeckten Gang einen über 300 m langen Gebäudekomplex bildet, der seit 1970 unter Denkmalschutz steht.
1958-1966/1968
Mit der HANSEATIC wurde das damals größte Passagierschiff unter deutscher Flagge nach dem Krieg in Dienst gestellt. Es löste die ITALIA im Dienst nach New York ab, die sich, wie auch ihre Nachfolgerin HOMERIC, auf den Dienst mit Kanada beschränkte. Beide Dienste standen jetzt unter erheblichem Konkurrenzdruck des Flugzeugs. Dies führte 1963 zur Einstellung des Kanada-Dienstes, im Dienst nach New York wurden viele Linienfahrten gestrichen und durch lukrativere Kreuzfahrten ersetzt. Nachdem die HANSEATIC 1966 in New York brannte und feststand, dass eine Reparatur nicht wirtschaftlich war, gab es 1967 keinen Überseepassagierverkehr am Steubenhöft. 1968 wurde eine 2. HANSEATIC eingesetzt, die jedoch nach New York nur noch vier Linienfahrten machte, danach nur noch Kreuzfahrten.
1968-2013
Wie auch in anderen europäischen Häfen wurde nach der Einstellung des Liniendienstes der Passagierterminal Hapag-Halle/Steubenhöft nur noch für Kreuzfahrten genutzt. Bis zu 28 Abfahrten gab es dabei jährlich. Bei der Abfertigung der Passagiere wurde der Kuppelsaal der Hapag-Halle wie zu Zeiten der Hapag mit eingebunden. Zu den regelmäßigen Besuchern zählten in den 70er und 80er Jahren neben der HAMBURG und der HANSEATIC auch die ASTOR, auch später unter ihren neuen Namen ARKONA, sowie viele sowjetische Kreuzfahrtschiffe, wie die MAXIM GORKI. Seit ihrer Indienststellung 1998 war die DEUTSCHLAND der Reederei Deilmann bis 2005 ständiger Gast des Passagierterminals Hapag-Halle/Steubenhöft. Für die Nordland-Kreuzfahrten sowie die Fahrten rund um die Britischen Inseln des Schiffes war Cuxhaven der alleinige Abfahrts- und Ankunftshafen.
Seit 1992
Nach dem Übergang des ehemals hamburgischen Hafenteils in Cuxhaven (Amerikahafen mit Steubenhöft und Hapag-Halle) auf Niedersachsen gab es vielfältige Überlegungen zur weiteren Nutzung der historischen Anlage. Seit 1999 gibt es den Förderverein Hapag-Halle e. V., der im historischen Passagierterminal Führungen und Ausstellungen zum Thema Auswanderung und Passagierschifffahrt durchführt. Im Empfangsgebäude Steubenhöft gibt es die Rahmenausstellung „ABSCHIED NACH AMERIKA“, die den Besucher über den Überseepassagierverkehr von Cuxhaven aus seit 1889 informiert.
Im Bereich der Passagierschifffahrt hat es in demselben Zeitraum gravierende Veränderungen gegeben. Die Kreuzfahrten wurden 2002-2005 durch den Betrieb der letzten deutschen Englandfähre, die von Hamburg hierher verlegt wurde, ergänzt. Leider musste auch diese ihren Betrieb wegen der Konkurrenz zum Flugzeug einstellen. Ebenfalls eingestellt sind seit 2013 die Kreuzfahrten. Hier hat sich der Hafen Hamburg als starker Magnet erwiesen, der diesen Verkehr an sich gezogen hat. Ersatz für den Verlust beider Verkehre war seit 2015 die Wiedereröffnung des Fährverkehrs über die Elbe nach Brunsbüttel. Jedoch musste dieser Ende 2016 wieder eingestellt werden. Es wird z. Z. versucht die Verbindung wieder aufzunehmen.